Eigenschaften von Kultmarken aus Konsumentensicht

05. Oktober 2012 - Meinen geschätzten Kollegen, Prof. Dr. Holger Schmidt, hat mein Kultmarkenbüchlein dazu inspiriert, die Eigenschaften von Kultmarken aus Kundensicht zusammen mit Saskia Losch näher zu erforschen. Ergebnis ist u.a. eine weitere "Kultmarken-Rangliste" mit Coca-Cola, Apple, BMW, Adidas und Nike auf den ersten 5 Plätzen.

Daneben haben Schmidt und Losch 5 brauchbare Definitionen des Begriffs "Kult" übersichtlich zusammengestellt und inhaltlich kommentiert:

Holger Schmidt & Co. über Eigenschaften von Kultmarken

Schließlich konnten Schmidt und Losch im Rahmen einer Konsumentenbefragung (n=359) folgende 7 typischen Eigenschaften (Faktoren) von Kultmarken ermitteln:

1. Emotionalisierung (z.B. faszinierend)
2. Bekanntheit (z.B. unverwechselbares Logo)
3. Innovation (z.B. Trendsetter)
4. Persönlichkeit (z.B. unabhängig)
5. Kontinuität (z.B. sich selbst treu bleiben)
6. Differenzierung (z.B. unverwechselbares Original)
7. Community (z.B. große Anhängerschaft)

Für mich persönlich stellen die Ergebnisse einen ersten, brauchbaren Ansatz dar, der jedoch weiterer Verfeinerung bedarf. Meines Erachtens weisen die Eigenschaften noch einige Schwächen auf. So ist beispielsweise "Harley-Davidson" alles andere als ein Trendsetter und "Rolex" hat eine eher kleine, aber dafür umso loyalere Anhängerschaft.

Auch bin ich mir nicht sicher, ob eine standardisierte Onlinebefragung von Konsumenten (Studierenden) in dieser Phase der empirischen Analyse ideal ist, da der Begriff "Kultmarke", ähnlich wie der Begriff "Superstar", heute - leider, leider - inflationär verwendet (und damit entwertet) wird.

Anmerkung am Rande: Manch einer versteht den Begriff erst gar nicht. Als ich die Bezeichnung "Kultmarke" im August 2010 auf Wikipedia neu hinzugefügt hatte, wurde mir von einem der Wikipedia-"Apostel" mitgeteilt, dass der Beitrag überflüssig sei. Man könne das doch einfach bei "Premiummarke" als Synonym ergänzen. Ich war und bin da anderer Meinung und konnte das dann auch argumentativ deutlich machen... .

Zurück zur Studie von Losch/Schmidt: McDonald's (Platz 13), Nivea (Platz 8) und Persil (Platz 14) sind für mich starke Marken, zugleich aber definitiv keine Kultmarken! Oder würden Sie mehrere Tage vor einem McDonald's-Restaurant campieren, wenn ein neuer Burger auf den Markt kommt, Nivea bei einer kritischen Äußerung Dritter in einem fünfminütigen Monolog mit Nachdruck verteidigen oder sich den Persil-Schriftzug vor lauter Begeisterung für die Marke auf den Arm tätowieren lassen? Meines Erachtens ist nicht jede gute Marke gleich eine Kultmarke. Ansonsten wird die Bezeichnung in der Tat überflüssig und wir sortieren sie bei "Premiummarke" ein (und Religionen bei Vereinen). ;-)

Den kompletten Beitrag von Losch/Schmidt finden Sie, welch ein Segen, als Download nicht irgendwo im Internet-Nirvana, sondern himmlischer Weise >> hier.


P.S.: Meines Erachtens gilt es erstens eine noch griffigere Definition für den Begriff "Kultmarke" zu finden und zweitens Kriterien herauszuarbeiten, die die besondere Emotion erfassen, die Kultmarken bei ihren Fans, Anhängern bzw. Jüngern auslösen. In einem dritten Schritt könnte man dann Konsumenten befragen, ob es eine Marke in ihrem Leben gibt, die diese Kriterien erfüllt. Falls ja, wäre es spannend zu erfahren, was genau die Marke emtional bei ihnen auslöst und zu welchen "merkwürdigen" Verhaltensweisen sie führt. Dazu eignen sich meines Erachtens Tiefeninterviews am Besten.

Darauf aufbauend könnte man in einem vierten Schritt die gewonnenen qualitativen Ergebnisse verdichten und, daraus abgeleitet, in einem fünften Schritt eine quantitative Validierung der Ergebnisse über eine Onlinebefragung realisieren. Abschließend müsste sich ein schlüssiges Kultmarken-Konzept ableiten lassen, das "kultverdächtig" ist. ;-)


Quelle: transfer, Nr. 3, September 2012 (Download)